Spätestens seit den Enthüllungen durch Edward Snowden ist nicht nur offenbart, dass eine globale und allumfassende Überwachung sämtlicher Informationskanäle durch die USA erfolgt, sondern auch, dass die Bundesrepublik Deutschland an dieser Überwachung erheblich mitarbeitet. Als zentral gelegenes Hochtechnologieland ist Deutschland ein Knotenpunkt der digitalen Infrastruktur, sodass eine Überwachung dieser Kanäle umso lohnenswerter ist. Wo liegen die Anfänge dieser Praktiken, wie wurden sie politisch reglementiert und gerechtfertigt? Diese und weitere Fragen hat der Freiburger Historiker Josef Foschepoth in den letzten Jahren an neuem Quellenmaterial untersucht. Seine Ergebnisse hat er 2012 in einer fast 400 Seiten starken Publikation veröffentlicht, die zum Verständnis der aktuellen Zustände ein herausragendes Dokument darstellt.

 Foschepoths Buch richtet sich an Historiker und Experten, was an der umfangreichen Dokumentation aller Quellen und angehängten Dokumente deutlich wird. Jedoch ist sie grundsätzlich auch dem Laien zugänglich, da Foschepoth direkt, klar und teilweise hochspannend Vorgänge, geheime Dokumente und rechtliche Kontroversen erläutert. Das Buch selbst ist in acht Abschnitte gegliedert und verfolgt chronologisch die Entwicklungen in der Bundesrepublik zwischen 1945 und 1989. Anhand neuer Akten, die jahrzehntelang als geheim deklariert waren, vollzieht der Historiker die Geschichte der Überwachung nach, bindet diese jedoch stets in den Kontext ein. Dadurch werden die Zusammenhänge verständlich und machen das Buch zu einer sehr empfehlenswerten Lektüre. Deutlich wird vor allem, wie die Alliierten nach Ende des Zweiten Weltkriegs reagiert haben, um eine zweifache Bedrohung durch eine Politik der doppelten Eindämmung zu bekämpfen. Neben den Deutschen, die weiterhin als gefährlich für den Weltfrieden galten, war es der Kalte Krieg und die Sowjetunion, die im Fokus der Westmächte standen. Wie Überwachung erst gegen und später mit den Deutschen ermöglicht wurde, zeigt Foschepoth anschaulich. Auch die Reaktionen der Deutschen, die stets versucht haben, sich als gute Verbündete zu positionieren, um Selbstständigkeit wiederzuerlangen, werden dargestellt. Deutlich wird der Zwiespalt der damaligen Bundesregierung, einerseits eine ungeliebte Überwachung der eigenen Bevölkerung zu installieren, um dafür im Gegenzug Vorbehaltsrechte der ausländischen Staaten abzubauen.

Deutlich und klar wird immer wieder gezeigt, wie dabei die neue Verfassung, das Grundgesetz, immer wieder massiv und in absolut zentralen Punkten verletzt wurde. Zensur, die Vernichtung von privaten Briefen und Sendungen, Überwachung von Post und Telefongesprächen sowie die unterbundene Informierung und Unmöglichkeit des Rechtswegs für die Betroffenen - alle diese Punkte, die das Grundgesetz vorsieht, wurden schlichtweg ignoriert. Offenbart wird dabei, wie Regierungen und Behörden sich über rechtsstaatliche Verfahren hinweggesetzt haben, um Wünsche der ausländischen Mächte und Geheimdienste zu erfüllen. Dabei ging es meistens um den Schutz der stationierten Truppen in der BRD sowie Beschaffung von Informationen über DDR-Bürger und Abwehr von ausländischer Propaganda.

Neben Praxis und konkreter Durchführung vollzieht Foschepoth weiterhin die juristischen Auseinandersetzungen in der BRD nach, beispielsweise an Akten, Gerichtsurteilen und Diskursen. Von zentraler Bedeutung im Buch und für die junge BRD war der Weg von den illegalen und ausländischen Praktiken, hin zu rechtlich fixierten und damit dauerhaften Überwachungsgesetzen. Das, was anfangs alliierte Vorbehaltsrechte waren und damit von ausländischen Mächten unter Mithilfe der Deutschen durchgeführt wurden, wurde im Laufe der Zeit in deutsche Gesetze übersetzt und somit "Recht". Dass die Deutschen dies auf sich genommen haben, um den Einfluss der fremden Mächte abzubauen und sich bereit erklärt haben, deren Aufgaben selber durchzuführen, wird dadurch verständlich, entschuldigt es aber nicht die massenhaften und verfassungswidrige Überwachung der eigenen Bevölkerung. Foschepoth gelingt es, diese komplexen Prozesse, die sich teilweise über Jahrzehnte hinziehen, anschaulich und verständlich darzustellen. Damit leistet er einen wertvollen Beitrag, die aktuelle deutsche Politik verstehen zu können, ebenso wie die Überwachung, die bis zum heutigen Tag anhält. Auch wenn seine Forschungen mit der Wiedervereinigung enden ist klar, dass die Praktiken bis heute andauern und man davon ausgehen kann, dass auch aktuelle Regierungen den Bürgern Maßnahmen verheimlichen, verschweigen und lügen.

Insgesamt ist das Werk des Freiburger Historikers als von herausragender Bedeutung einzuschätzen und lesenswert für alle, die sich für deutsche Geschichte, Politikwissenschaft, Verfassungsrecht und aktuelle Weltpolitik interessieren. Zudem ist es eine wichtige Argumentationsgrundlage zum Thema aktuelle Überwachung, Snowden-Affäre und Internetüberwachung. Das Buch kann bei der Bundeszentrale für Politische Bildung für nur 4,50 € erworben werden.

 

Autor: Josef Foschepoth, Seiten: 380, Erscheinungsdatum: 13.12.2013, Erscheinungsort: Bonn, Bestellnummer: 1415.