Bekannt ist schon länger, dass Zähneputzen als alleinige Maßnahme der Mundhygiene kaum ausreicht, tummeln sich doch viele Bakterien zwischen den Zähnen oder gar anderen Stellen, die noch schwerer zugänglich sind. Neben Zahnseide sind daher vor allem Mundspülungen beliebt, die jeden Ort erreichen und für angenehme Frische sorgen können. Allerdings bevorzugen viele Menschen natürliche Produkte, enthalten die professionellen Spülungen doch zahlreiche Zusatzstoffe, die für empfindliche Personen oder Allergiker problematisch sein können. Als Alternative wird daher, auch von manchen Zahnärtzen, das Spülen mit natürlichen Ölen, wie beispielsweise Olivenöl empfohlen. Ob auch solche Öle zur Zahngesundheit beitragen können, soll dieser Artikel überprüfen.

OlivenölDie Anwendungsempfehlung für das sog. Ölziehen ist denkbar einfach. Zwei Mal täglich jeweils einen Esslöffel Öl in den Mund nehmen und dann 2-5 Minuten gut durchspülen, wobei das Öl auch durch die Zahnzwischenräume gezogen werden sollte. Anschließend wird das verbrauchte Öl ausgespuckt und bei Bedarf mit Wasser nachgespült. Diese Technik soll Karies und Plaque ebenso mindern wie Mundgeruch, indem überschüssige und schädliche Bakterien aus dem Mund entfernt werden. In der Theorie sollen dabei die fettlöslichen Bakterien im Öl gebunden und somit aus der Mundhöhle ausgeschieden werden. Vorteilhaft an dieser Technik scheint eindeutig, dass Pflanzenöle für die Gesundheit unbedenklich sind und die Methode schlimmstenfalls wirkungslos ist. Im Gegensatz zu "chemischen" Mundspülungen sind Überreaktionen ausgeschlossen (sofern man nicht gegen das Öl selbst allergisch ist).

In Verruf gekommen ist die Technik vor allem durch esoterische Methoden der Anwendungen, wie sie auf zahlreichen Online-Foren und Websiten zu finden sind. Neben der reinen Mundhygiene wird dort behauptet, dass die Technik die verschiedensten Leiden kurieren könne, wobei oft auch auf nichtwissenschaftliche Konzepte und Ideen rekurriert wird. Möglicherweise können diese Effekte indirekt eintreten, etwa weil eine verbesserte Mundhygiene das Immunsystem entlastet und daher andere Infekte besser bekämpft werden können.[1] Zu viel sollte man sich allerdings vom Ölziehen nicht erwarten, sondern es eher an konventionellen Mundspülungen messen.

Zur Überprüfung der Methode finden sich zwei aktuelle wissenschaftliche Artikel, die das Ölziehen mit konventionellen Mundspülungen verglichen haben. Studie 1 aus dem Jahr 2014 setzte ein randomisiertes Kontrolldesign mit drei Gruppen zu je 20 Frauen ein, wobei hier die Wirkung von Sesamöl mit der von Chlorhexidin gemessen wurde, einem kommerziellen Antiseptikum.[2] Studie 2 aus dem Jahr 2015 untersuchte die Wirkung einer Fluoridspülung, einer Kräuterspülung und der Ölziehmethode (ebenfalls mit Sesamöl) an 52 Kindern zwischen 6-12 Jahren, wobei hier in jeder Gruppe 13 Kinder untersucht wurden.[3] In jeder Studie wurde jeweils auch eine Kontrollgruppe eingesetzt, die nur Wasser als Spülung erhielt.

Zur Messung der Effekte der einzelnen Mittel kamen verschiedene Methoden zum Einsatz, die beispielsweise Bakterienzahlen und Plaquescores erfassten und als Indikatoren für die allgemeine Mundgesundheit herangezogen werden können. Nach einer Einweisung wurden die gleichen Tests nach drei (Studie 1) bzw. zwei (Studie 2) Wochen erneut erhoben. Dadurch konnten die Vorher-Nachher-Werte und damit die Effektivität der einzelnen Methoden verglichen werden. Anhand statistischer Analysemethoden wie beispielsweise dem T-Test konnte überprüft werden, ob die gemessenen Differenzen nur zufällig zustande kamen, oder ob eine Signifikanz aufgezeigt werden konnte. Dabei muss natürlich stets beachtet werden, dass jeder statistische Test immer mit Unsicherheiten behaftet ist und selbst bei einem statistisch signifikanten Ergebnis eine Wahrscheinlichkeit von 5% besteht, dass das Ergebniss dennoch zufällig ist.[4]

Ergebnisse

Die Studien kommen zu sich widersprechenden Ergebnissen. Während Studie 1 eine positive Wirkung von Öl als Mundspülung nachweisen kann und diese Methode ausdrücklich zur Verbesserung der Mundgesundheit empfohlen wird, erweist sich die Methode in Studie 2 als unwirksam. Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass die Reduktion der Bakterienzahl durch Öl kaum erreicht werden kann und die Vorher-Nachher-Differenzen so gering ausfallen, dass kein signifikanter Effekt angenommen werden kann. Insgesamt kann Studie 2 die in Studie 1 gezeigte Wirkung nicht replizieren.

Diskussion

Die Ergebnisse der Studien sind unbefriedigend, kommen sie doch zu verschiedenen Ergebnissen, was die Wirksamkeit der Ölspülung betrifft. Es ist daher keine klare Aussage darüber möglich, ob die Methode nun als wissenschaftlich sinnvoll erachtet wird oder nicht. Kritisiert werden muss an beiden Studien, dass die Probandenzahlen relativ gering sind. Während in Studie 1 20 Personen die Ölkur anwenden, sind es in Studie 2 nur 13. Grundsätzlich sind statistische Überprüfungen besser abgesichert, je mehr Teilnehmer eine Studie aufweist. So weisen auch beide Arbeiten darauf hin, dass eine Wiederholung mit mehr Personen notwendig ist. Fraglich bleibt allerdings dann, wieso Studie 2, die als Replikationsstudie geplant war, weniger und nicht mehr Probanden mobilisiert hat. Desweiteren unterscheiden sich die Studien in der Art der Probanden, da in Studie 1 an erwachsenen Frauen getestet wurde, während Studie 2 nur Kinder als Probanden einsetzt. Möglicherweise unterscheidet sich die Mundflora zwischen verschiedenen Altersgruppen (Milchzähne VS bleibende Zähne), sodass auch hier Abweichungen begründet sein könnten. Auffällig ist auch, dass sich in Studie 1 selbst in der Placebogruppe der Plaqueindex nach der Behandlung signifikant erniedrigt hat, obwohl in dieser Gruppe nur mit Wasser gespült wurde. Dies deutet darauf hin, dass entweder methodische Schwächen vorliegen oder sich dieser Index nicht eignet, um die Mundgesundheit adäquat zu beschreiben.

Ausblick

Angesichts der Ergebnisse der Studien kann die Wirksamkeit der Ölmethode weder als sicher bewiesen noch als widerlegt angesehen werden. Es bleibt also persönliche Erfahrung, ob die Methode eine gefühlte Verbesserung mit sich bringt oder nicht. Da eine Schädlichkeit wohl ausgeschlossen werden kann, ist eine eigene Erprobung zumindest ohne Risiko.

 

 

[1]: Bekannt ist, dass Herzkrankheiten und Mundhygiene durchaus zusammenhängen können, vgl. http://www.apotheken-umschau.de/Herz/Kranke-Zaehne-krankes-Herz-227107.html (27.10.15).

[2]: Sood P, Devi M A, Narang R, V S, Makkar DK. Comparative Efficacy of Oil Pulling and Chlorhexidine on Oral Malodor: A Randomized Controlled Trial. Journal of Clinical and Diagnostic Research : JCDR. 2014;8(11):ZC18-ZC21. doi:10.7860/JCDR/2014/9393.5112 

[3]: Jauhari D, Srivastava N, Rana V, Chandna P. Comparative Evaluation of the Effects of Fluoride Mouthrinse, Herbal Mouthrinse and Oil Pulling on the Caries Activity and Streptococcus mutans Count using Oratest and Dentocult SM Strip Mutans Kit. International Journal of Clinical Pediatric Dentistry. 2015;8(2):114-118. doi:10.5005/jp-journals-10005-1295

[4]: Die Größe der Unsicherheit ist immer vom gewählten Signifikanzniveau abhängig, das meistens auf 5% oder 1% gewählt wird.

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